Erinnerungen an meine Kindheit8 Minuten lesedauer

Hier bin ich aufgewachsen

Manchmal holt einen die Vergangenheit ein, genauso wie ein warmer Sonnenstrahl, der plötzlich durch die Wolken bricht und die Haut sanft wärmt.

Am 13. Juli 2022, nach 50 Jahren, bin ich in den Zug gestiegen, um nach Burglengenfeld zu fahren.

Mein Ziel war die Köblitzplatte, die ich unbedingt noch einmal besuchen wollte.

Zurück zu meinen Wurzeln, wo meine Kindheit ihren Herzschlag hatte.

In ein Haus, das immer voller Leben war.

Die Räume waren erfüllt von Gelächter und von unzähligen Geschichten.

Es war mein Königreich, ein Ort, an dem ich barfuß durch das Gras rannte, Zittergras sammelte, und im Sommer stundenlang mit den Kindern von unseren Gästen draußen spielte.

Die Natur war mein Abenteuerspielplatz.

Im Herbst sammelte ich unzählige Kastanien, fand an meinem Lieblingsplatz vierblättrige Kleeblätter und bastelte für mein Leben gerne.

Dieses Glück dauerte genau bis zu meinem 13 Lebensjahr.

Dann sind wir umgezogen in das ach so weit entfernte München. Und zwar mitten in die Innenstadt nähe dem Marienplatz.

1972 hat es so ausgesehen

Köblitzplatte
Mein Zuhause bis 1972

Mein Papa, das Organisationstalent

Damals war es ein Familien-Erholungsheim und es waren immer viel Gäste zu besuch.

Meine Eltern haben die Verwaltung übernommen.

Meine Mama hatte die Küche unter sich und mein Papa hat sich hauptsächlich um die Gäste gekümmert.

Ein wahres Organisationstalent.

Er verstand es, Menschen zusammenzubringen und unvergessliche Momente zu schaffen.

Er war nicht nur der Verwalter des Familien-Erholungsheims, er war das Herzstück davon.

Mit unerschöpflicher Energie plante er Ausflüge für die Gäste, und organisierte Busfahrten zu den schönsten Orten der Region.

Es waren keine gewöhnlichen Reisen, sondern kleine Abenteuer, bei denen meine Augen glänzten, wenn ich neben ihm sitzen durfte.

Die Reise durch den Donaudurchbruch mit dem Besuch der majestätischen Walhalla.

Die Fahrt zum Monte Kaolino in der Hirschau bei Amberg, übrigens mein persönlicher Lieblingsort, der mich jedes Mal aufs Neue faszinierte.

Oder die Fahrt in den Märchenwald von Grafrath bei Fürstenfeldbruck.

Noch heute sehe ich die lebensgroßen Figuren vor mir, so real, als könnten sie gleich zu sprechen beginnen.

Leider existiert dieser Märchenwald nicht mehr – aber in meinen Erinnerungen lebt er fort, ebenso wie die vielen Momente, die mein Vater schuf.

Doch er tat noch viel mehr.

Er baute gemeinsam mit den Gästen eine Indianerhütte und ein Baumhaus.

Aber nicht irgendein Baumhaus, sondern ein kleines Paradies hoch oben in den Wipfeln.

Er überzeugte Firmen, Sandkästen, Rutschen und andere Spielgeräte zu sponsern, sodass wir Kinder einen Ort voller Abenteuer hatten.

1992 hat es so ausgesehen

Damals lebte ich bereits 20 Jahre in München.

Ich hatte mich an das Stadtleben gewöhnt, an das pulsierende Treiben und die Hektik.

Tief in mir war die Köblitzplatte nie wirklich fern.

Eines Tages erzählte mir eine Kundin, dass sie mit ihrer Tochter eine Kur dort machen würde.

„Wie bitte?

Da bin ich aufgewachsen!“, platzte es aus mir heraus.

 „Bitte, du musst mir unbedingt eine Postkarte zusenden, damit ich sehen kann, wie es dort jetzt aussieht!“

Und so wartete ich gespannt.

Als die Postkarte schließlich ankam, hielt ich sie lange in den Händen, als könnte ich durch das Papier hindurch die Vergangenheit berühren.

Der Ort hatte sich verändert – so wie ich.

Doch in meinem Herzen blieb er immer derselbe.

Und 2022 hatte sich alles verändert

Als ich aus dem Bus stieg, atmete ich tief durch.

Ein vertrauter Hauch Vergangenheit lag in der Luft.

Ich überquerte die Brücke und lenkte meine Schritte auf meinen alten Schulweg entlang der Naab in Richtung Köblitzplatte.

Mit jedem Schritt kamen Erinnerungen hoch.

Hier, in diesem Haus, lebte meine Freundin Ulrike, was wohl aus ihr geworden ist?

Dort drüben, wo heute ein Campingplatz liegt, war früher das Schwimmbad, in dem ich schwimmen gelernt hatte.

Ich konnte fast noch das fröhliche Platschen und Lachen der Kinder hören.

Der Weg schlängelte sich entlang der Naab und ich spürte, dass die Jahre ihre Spuren hinterlassen hatten.

Der Weg wirkte alt, fast unberührt, als hätte er all die Jahrzehnte einfach stillschweigend überdauert.

Dann kam ich zu dem Haus, an dem ich mir als Kind immer ein Glas Wasser holte, bevor ich mich an den Aufstieg machte.

Der einst offene Steinbruch gegenüber hatte sich die Natur längst zurückgeholt, üppiges Grün bedeckte nun die Felsen, die früher so beeindruckend wirkten.

Ich suchte nach meinem kleinen Glücksplatz, auf der anderen Straßenseite, dort, wo ich früher unzählige vierblättrige Kleeblätter fand, einmal sogar ein sechs blättriges.

Doch er war verschwunden – nichts mehr da.

Nur eine leere Fläche, als hätte die Zeit ihn einfach ausgelöscht.

Dann begann ich den Aufstieg.

Die Straße zog sich in die Länge, genau wie damals, als Kind erschien sie mir endlos.

Doch ich kannte eine Abkürzung durch den Wald – oder besser gesagt, ich kannte sie einmal.

Jetzt war sie überwuchert, als hätte sie nie existiert.

So blieb mir nur der lange Weg über die Straße – ein Weg, der mich nicht nur hinauf zur Köblitzplatte führte, sondern auch tief hinein in meine Erinnerungen.

Das Haus von der Seite
Die Strasse zur Stadt
Die Strasse zur Stadt
Im Hintergrund stand das Baumhaus
Im hintergrund stand das Baumhaus
Früher war sas der Parkplatz unserer Gäste
Früher Parkplatz, heute Eisstockbahn

Oben auf dem Plato angekommen, habe ich dann das ganze Ausmaß gesehen.

Nun stand ich da.

Ich blickte mich um – und spürte, wie mir ein Kloß im Hals aufstieg.

Von dem Haus, in dem ich aufgewachsen bin, existierte kein einziger Krümel mehr.

Dort, wo unser Baumhaus stand, war alles zugewachsen.

Kein Sandkasten, keine Rutsche, kein Pavillon.

Alles fort.

Ich ging ein paar Schritte weiter und ließ meinen Blick schweifen.

Die Bäume, die früher klein waren, hatten inzwischen mächtige Stämme.

Wo einst unsere wilden Abenteuer stattfanden, wucherte nur Gras.

Die vertrauten Geräusche meiner Kindheit – das Lachen meiner Geschwister, das Klirren von Geschirr aus der Küche meiner Mutter, das geschäftige Treiben meines Vaters – sie alle waren verstummt.

Nur der Wind rauschte leise durch die Äste, als wollte er mir die Geschichten von damals zuflüstern.

Ich schloss die Augen und für einen Moment war ich wieder das Kind, das nach einem langen Sommertag barfuß durch den Sandkasten lief.

Doch als ich die Augen wieder öffnete, war all das nur noch eine Erinnerung, ein Echo der Vergangenheit.

Während ich dort stand, und alles auf mich wirken ließ, wurde mir etwas klar: Orte verändern sich.

Erinnerungen nicht.

Ein Besuch in der Stadt musst auch noch sein

Dann verabschiedete ich mich von diesem, für mich immer noch faszinierenden Ort.

Denn ich wollte unten in Burglengenfeld noch ein paar Orte aufsuchen.

Steht meine alte Schule noch da?

Was ist aus dem Haus geworden, in dem die Bäckerei von meinem Papa war, bevor er die Köblitzplatte übernommen hat?

Blick auf Burglengenfeld
Blick auf Burglengenfeld
Die Brücke über die ich sooo oft gegangen bin
Die Brücke über die ich sooo oft gegangen bin
Hier stand die Bäckerei von meinem Papa
Hier stand die Bäckerei von meinem Papa
Hier stand meine alte Schule
Hier stand meine alte Schule

Alles hat sich verändert.

Auf dem Gelände, wo meine Schule stand, wohnen Familien.

Das Haus, in dem mein Papa seine Brote und Brötchen gebacken hat, wurde abgerissen und daraus ist eine hässliche Ecke geworden.

Burglengenfeld
Burglengenfeld

Wenn du noch mehr von mir wissen möchtest, dann schau doch einfach mal bei meinen Fun Facts vorbei. Da findest du bestimmt ein paar Einzelheiten, die du garantiert noch nicht über mich wusstest.

Dieser Artikel ist im Rahmen von Projekt 52/2025 entstanden.

Jeden Monat werden 4 Themen zur Auswahl gestellt, über die man einen neuen Blogartikel schreiben kann.

Da ich das Projekt 52 erst vor einer Woche entdeckt habe, bleibt mir für den Februar keine Zeit mehr alle Themen zu behandeln. Doch eines habe ich geschafft: Erinnerungen.

Dieser Beitrag hat 4 Kommentare

  1. Martina Radel

    Allerdings, Veränderungen gehören einfach zum Leben dazu.

  2. Sari

    Total spannend. Bei mir liegt meine Kindheits – „Hood“ nicht ganz so weit weg, aber es ist dennoch immer wieder seltsam daran vorbei zu kommen, zu sehen, wie sich alles verändert hat. Andere Gardinen in deinem alten Zimmer hängen und der Spielplatz vor der Türe nicht mehr der selbe ist usw…

  3. Martina Radel

    Ja, die Erinnerungen machen uns zu dem, was wir heute sind. Es ist immer wieder schön, darin zu schwelgen.

  4. Edeline

    Ein schöner Einblick von Deiner alten Heimat. Wie sich im Wandel der Zeit doch alles ändert … aber so ist es nun mal, aber was zählt sind die Erinnerungen.

Schreibe einen Kommentar